Gegen Ende des vergangenen Schuljahres hat sich die damalige Klasse 10a im Geschichtsunterricht unter Leitung von Herrn Dr. Galle mit Formen der Erinnerungskultur beschäftigt. Konkret ging es dabei um die Frage, wie ein Beitrag von Schülerinnen und Schülern für eine Feierstunde zum Tag der deutschen Einheit aussehen könnte.
Zunächst war die Wiedervereinigung ein nüchterner, staatsrechtlicher Akt. Für die jüngere Generation gibt es nur das Deutschland in seinen heutigen Grenzen. Wieso also sollte das jährlich wiederkehrende Datum des 03. Oktober daher überhaupt gefeiert werden? Die Schülerinnen und Schüler haben sich daher mit der Frage auseinandergesetzt, was die Wiedervereinigung für verschiedene Personen bedeutete, was für Änderungen sie mit sich brachte.
Anhand fiktiver Personen wurden diese teilweise tiefgreifenden und lange ersehnten Veränderungen verdeutlicht: So war für eine Frau zum Beispiel interessant zu beobachten, was sich im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau wohl verändern würde. Schließlich hatte sie von der besser ausgebauten Kinderbetreuung und der hohen Arbeitsbeteiligung ostdeutscher Frauen gehört.
Eine andere Frau konnte es kaum glauben, dass sie nun endlich die Möglichkeit hatte, ihre Schwester in Westberlin wieder zu sehen und in die Arme zu schließen. Jahrzehnte lang war die Familienzusammenführung für viele Deutsche undenkbar.
Ein Bürger der DDR freute sich darauf, endlich mehr von der Welt sehen und in bislang unerreichbare Länder reisen zu können. Er betont, dass ein Urlaub höchstens in sozialistischen Ländern wie Ungarn oder Polen erlaubt war und auch dafür zunächst auf eine Genehmigung gewartet werden musste. Nun bestand Reisefreiheit.
Ein Jugendlicher, der sich als evangelischer Christ vorstellt, dem es auch wichtig war, seinen Glauben durch die Konfirmation zu bestätigen, hebt hervor, dass ihm zu Zeiten der DDR ein Studium aufgrunddessen verwehrt geblieben wäre. Durch die Wiedervereinigung konnte er sich aber nun sowohl in der Freizeitgestaltung als auch hinsichtlichder Studien- und Berufswahl frei entscheiden – ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen.
Für eine andere Person ist die neu gegebene Möglichkeit, politisch mitzubestimmen, besonders erwähnenswert. Denn sie verweist darauf, dass in der DDR zwar Wahlen stattfanden, diese aber in der Regel eine Zustimmung von meist über 99 % zum Ergebnis hatten. Selbst wenn man aus Protest einen Wahlzettel ohne Kreuz in die Urne war, wurde dies als Zustimmung gewertet.
Eine weitere Person klagt darüber, dass vorher Vieles vorgeschrieben und vorgegebenwurde. Dank der Wiedervereinigung konnte sie aber jetzt eigenständig Entscheidungen treffen, konnte sich um eine Weiterbildung im Westen bewerben und schätzt nun das freie, selbstbestimmte Leben, das gleiche Chancen bietet.
Gleichberechtigung – Familienzusammenführung – Reisefreiheit – Selbstbestimmtes Leben – Politische Mitbestimmung – Chancengleichheit. Die Aufzählung ließe sich leicht ergänzen. Für die Menschen im Western wie auch für die heutige jüngere Generation handelt es sich dabei um Errungenschaften, die als selbstverständlich angesehen werden. Doch vielen Deutschen wurden sie vierzig Jahre lang vorenthalten. Der 3. Oktober änderte ür sie so Vieles.
Für uns heute ist der 3. Oktober ein Tag der Erinnerung, ein Tag, der Anlass zur Freude und Dankbarkeit gibt. Zugleich ist er aber auch ein Auftrag, eine Mahnung, mutig unsere Demokratie zu verteidigen. Denn eine Garantie auf immerwährenden Bestand dieser Errungenschaften gibt es nicht.
Was in der Klasse 10a im vergangenen Schuljahr erarbeitet wurde, konnte nun tatsächlich Teil der Erinnerungskultur werden. Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen EF und Q1 trugen die erarbeiteten Beiträge im Rahmen der von der Stadt Hilchenbach am 3. Oktober organisierten Feierstunde im kmd Dahlbruch vor. Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Akkordeon-Orchester Siegerland bereichert, Bürgermeister Kaioglidis führte durch das Programm. Den Festvortrag mit eindrücklichen Beispielen hielt Rüdiger Löhl, ein gebürtiger Siegerländer, der seit Jahren als Unternehmer in Thüringen tätig ist. Es handelte sich um eine sehr angemessene Festveranstaltung, der auch ein ungeplanter Feuerfehlalarm keinen Abbruch tun konnte.